Nun ist es also amtlich: „Die Europäer verlieren das Interesse an der offiziellen Kultur„. So titelten die Deutschen Wirtschafts Nachrichten am 9. November 2013 anlässlich des gerade im Auftrag der Europäischen Kommission erschienenen Special Eurobarometer 399 „Cultural Access and Participation“. In diesem Eurobarometer wird das 400.000.000 € schwere EU-Kulturförderprogramm 2007−2013 evaluiert.

Jenseits der Beurteilung des EU-kulturpolitischen 6-Jahres-Masterplanes (2007−2013 und bald kommt 2014−2020) erlaubt der Report Einblicke in unsere kulturelle Landschaft.

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Im Report geben 44 % der in unserem Land Befragten an, im letzten Jahr mindestens einmal im Museum gewesen zu sein. Andersherum bedeutet dies, dass 56 % innerhalb des letzten Jahres kein einziges Mal einen Fuß in ein Museum gesetzt haben, geschweige denn zwei. Deutschland dümpelt damit im europäischen Museums-Mittelfeld.

The two main reasons for not participating or not participating more in cultural activities are “lack of interest” (the first reason given for five out of the nine activities tested) and “lack of time” (the first reason given for the remaining four activities). [S. 5]

In Deutschland geben 36 % der Befragten „Lack of Interest“, fehlendes Interesse,  als Grund an, warum sie nicht häufiger ins Museum gehen. Bei 32 % liegt es an mangelnder Zeit und finanzielle Gründe sind gerade einmal bei 6 % ausschlaggebend [S. 26]. Das bedeutet, dass gut zwei Drittel der Menschen unseres Landes derzeit im Off-Museum-Modus sind. Das Angebot ist also schlicht zu langweilig. Hier scheint auf der Angebotsseite ein Defizit zu herrschen oder ein Kommunikationsproblem oder beides.

Highscore geht anders

Dass es nicht überall so trübe aussieht, zeigt das Städelmuseum. Hier kamen 2012 rekordverdächtige 447.395 Besucher. Die Frankfurter Museen Städel, Liebighaus und Schirn Kunsthalle zusammen konnten 2012 über eine Million Besucher vermelden [Pressemitteilung vom 9. Januar 2013]. Frankfurt selbst hat 687.775 Einwohner.

Geht doch.

Natürlich hat nicht jedes Museum die personellen und finanziellen Möglichkeiten wie das Städelmuseum mit seinen Blockbuster-Ausstellungen und seiner Kreativkommunikation. Oftmals ist die Dauerausstellung der größte Schatz eines Hauses. Nur wollen den immer weniger Menschen sehen.

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Was hat sich in den letzten Jahren verändert? Warum sinkt das Interesse an „der offiziellen Kultur“?

The Internet is changing the way both “consumers” and “creators” of cultural activities access cultural content and its influence is increasing in importance for all categories of the population. [S. 63]

Die allermeisten Museen denken online und offline noch als verschiedene Welten: Hier ein bisschen Internet als Showroom − manchmal mit Teilen der Sammlung online. Da mein Museum mit den Aufgaben „Ausstellen und Vermitteln“ sowie „Sammeln, Bewahren, Forschen“ hinter den Kulissen. Im Museum wird dann Technik aufgesattelt: als Audioguide, als Touchscreen …

Was an dieses Konstrukt ignoriert:

online ist immer und überall.

Längst haben die Menschen im Museum ihr Smartphone dabei. Sie wollen mehr sein als bloß Besucher oder Kulturkonsument. Und: Der online-Modus via Smartphone ermöglicht Gespräch. Das heißt für ein Museum: eine Ausstellung ist mehr als Bilder an der Wand und Objekte im Raum. Ausstellung bedeutet Offenheit: für Weiterführendes online, für digitale Kuratierung als online-Kommunikationsraum, für den Blick hinter die Kulissen, für Kommentare und Ergänzungen der Besucher. Aus dem Besucher wird ein Teil der Ausstellung. Zusammen wird die Ausstellung lebendige Kultur. Die Menschen suchen im Museum mehr als Kulturkonsum, sie wollen echte Teilhabe an ihrer Kultur.

Die Menschen verlieren nicht das Interesse an lebendiger Kultur.