Die digitale Sammlung eines Museums ist quasi der Vorhof zum Paradies eines realen Besuches im Museum. Manchmal entstehen sie im Rahmen der allgemeinen Digitalisierungswelle, die Galleries, Libraries, Archives, Museums – das formt sich zum wunderbaren englischen Akronym GLAM – erfasst. Ein Vorreiter der digitalen Sammlungen mit informativem und inspirierendem Charakter ist sicherlich das Frankfurter Städelmuseum. Seit dem Relaunch der digitalen Plattform 2015 präsentiert sie sich als eine Mischung aus multimedialer Wissensvermittlung und intuitiven Elementen. Da flanieren wir gerne durch die Sammlung. Mir hat das seinerzeit gefallen und gefällt mir auch heute.
Bilder-Besucher oder be a pART
Ein Wermutstropfen bleibt: Am Ende des Tages sind wir dann doch nur Besucher – die schöne online-Sammlung entpuppt sich als walled garden. Am Botticelli klebt das große © des Städelmuseum, das die Bildrechte für das Museum reklamiert. Über die Schöpfungshöhe einer zweidimensionalen Kopie – hieraus sollen sich die Urheberrechte auch an Werken ergeben, deren Schöpfer*innen bereits über 70 Jahre verstorben sind – streiten sich auch gerade das Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum und Wikimedia in einem Musterprozess. Mit dieser, die Museumsbilder hütenden Haltung ist das Städelmuseum in großer Gesellschaft: So verfahren die Staatlichen Museen zu Berlin mit dem Preußischen Kulturbesitz, das Germansche Nationalmuseum in Nürnberg, die Staatlichen Kunstsammlungen zu Dresden und so ziemlich alle weiteren deutschen Museen mit online-Beständen. Auch das British Museum hütet seinen mit 3.5 Mio. Objekten riesigen online-Schatz wie die Queen ihre ©ronjuwelen. Selbst in deutschen und eurpäischen Vorzeigeprojekten des openGLAM, wie die Deutsche Digitale Bibliothek und die Europeana, sind nicht alle Abbildungen frei nutzbar, auch wenn sie unter public domain stehen könnten.
Merete Sanderhoff vom Statens Museum for Kunst (SMK), der dänischen Nationalgalerie, hat in ihrer inspirienden Präsentation „Set art free“ gezeigt, dass und wie Museen auch andere Wege gehen können. In Europa sind das Rijksmuseum und das SMK Vorreiter eines neuen Umganges mit digitalen Abbildungen ihrer Bestände. Sie ermöglichen den freien Zugang und fördern die freie Nutzung von digitalen Kopien ihrer Werke, die nicht mehr durch das Urheberrecht geschützt sind. Dazu bieten sie sogar einen freien Download der digitalen Werke an, die sie unter public domain stellen. Sie verabschieden sich damit von einem Geschäftsmodell – dem Handel von Bildrechten – und geben somit Kunstwerke frei zur kreativen oder kontemplativen Weiternutzung. Hinter diesem Entschluss stehen auch ganz pragmatische Überlegungen. Es lohnt sich einfach nicht. Die Einnahmen und die Personal- und sonstigen Verwaltungskosten des Bildrechtehandels sind fast deckungsgleich: annähernd ein Nullsummenspiel, wie hier nachzulesen ist (ab S. 11).
openGLAMorous: jetzt auch das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Das Freigeben der Digitalisate von Bildern, die unter public domain stehen können, hat viele Vorteile. Für die Nutzer gibt es eine Rechtssicherheit für den kreativen Umgang mit diesen Bildern. Die Museen, die offen die Werke als Download anbieten, deren Urheberschutz abgelaufen ist, steigern so die Zugriffe auf ihr online-Angebot, machen mehr Menschen neugierig auf ihr Museum und last but not least gewinnen sie die Abbildungshoheit zurück: Statt der vielen schlechten Digitalkopien können die Museen erstklassige Digitalisate im Netz etablieren; z.B. als Bildmaterial für die Wikimedia Commons, die als Bilddatenbank für die Wikipediaartikel genutzt wird.
Als erstes großes Museum in Deutschland geht das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg jetzt auch diesen Weg und leistet hierzulande Pionierarbeit: Die MK&G Sammlung online stellt, wo es rechtlich möglich ist, seinen Bestand online unter public domain und ermöglicht den kostenlosen Download. Die Daten stehen bald auch in der Deutschen Digitalen Bibliothek und der Europeana zur Verfügung. Im internationalen Projekt Daguerrobase sind sie jetzt schon zu bewundern. Ein Interview zur mutigen online-Strategie des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg mit Dr. Antje Schmidt, die die Digitale Inventarisierung sowie die MKG Sammlung online leitet, ist hier nachzulesen.
Also gerne mehr davon, liebe Museen: Mehr openGLAM wagen.
PS: Danke Antje für die Infos via twitter.