Kurz vor Weihachten gab es den großen Showdown zwischen Wikimedia und den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (rem). Warum ging es in diesem Rechtsstreit? Die Kurzfassung:

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein kommunaler Museumsverbund in Mannheim. In ihren Häusern herrscht ein Fotografierverbot. Das hat eine alte Tradition. In Vor-Internetzeiten galt dieses Verbot mutmaßlich in den allermeisten  Häusern. Es gab Mitarbeiter, die mit den Bildrechten eine Art Handel trieben. Geld gegen Abdruckerlaubnis. Eine Art moderner Ablasshandel. Nun haben andere Museen weltweit gemerkt: 1. Der Bilderhandel lohnt kaum den Verwaltungsaufwand. 2. Bilder von Museumsobjekten sind in diesem Internet eine Riesenwerbung für mein Haus und kostet nichts. Dazu kommt philosophische Frage, ob Kunst im öffentlichen Besitz der Öffentlichlkeit nicht öffentlich zugänglich sein muss? Aber erst einmal zurück zu den rem. Ein freiwillig für die Wikipedia-Tätiger war der Auffassung, gemeinfreie Werke sind gemeinfrei. Gemeinfrei bedeutet, dass das Urheberrecht abgelaufen ist. Das geschieht in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Kunstschaffenden. Das Urheberrecht erwirbt nur der Urheber selbst. Dieser kann dann anderen Nutzungsrechte an seinem Kunstwerk einräumen, beispielsweise in Form einer Publikation. In Deutschland gibt es etwa die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Sie weist in ihrem Geschäftsbericht  2017 einen Ertrag von 129.159.000 Euro aus. Das sind Umsätze von der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken. Wie viel davon der Künstler selbst erhält steht auf einem anderen Blatt. Wiederholt zurück zu den rem. Der Wikipedia-Aktivist meinte nun die Bilddaten Wikipedia also die Wikimedia Commons mit „gemeinfreien“ Werken aus den rem anreichern zu dürfen. Er scannte dazu Bilder ein und fotografierte selbst in den rem.

„Wir möchten selbst über das Ob und das Wie der öffentlichen Zugänglichmachung unserer Bestände entscheiden“, so rem- Generaldirektor Alfried Wieczorek.

 

Die rem sahen darin in zwei Punkten rechtliche Verstöße. Zum einen verstieße das Fotografieren im Museum der Hausordnung. Verboten. Zum anderen genießen Fotos von Kunstwerken einen „Lichtbildschutz“ – eine Art Urheberrecht light, da irgendjemand irgendwann einmal meinte, dass das Abfotografieren  von Kunstwerken und so Bearbeiten, dass es aussieht wie ein Scan irgendeine schöpferische Höhe erreiche. Also die Nutzung ist auch: verboten. Übrigens ein Scan mit einem Flachbettscanner besitzt diesen Lichtbildschutz nicht.

So kam zu diversen Abmahnungen gegen diejenigen, die dieses Material genutzt hatten, im guten Glauben, sie seien gemeinfrei. Wikimedia wollte nun höchstgerichtlich geklärt wissen, ob die allgemeine Zugänglichkeit gemeinfreier Werke im Digitalzeitalter nicht doch höher zu bewerten sei als die die zumindest dünn- bis dümmlichen Hinderungsgründe. Nun gab der Bundesgerichtshof den rem vollumfänglich Recht. Das klingt zwar völlig absurd, konnte eigentlich nicht überraschen.

Wir sind nicht mit dem Argument durchgedrungen, dass unser Kulturerbe in Zeiten digitaler Medien seiner Eigenschaft als Allgemeingut beraubt wird, wenn sich auch bei exakten Reproduktionen gemeinfreier Werke am Ende die Foto-Rechte gegenüber dem gemeinfreien Status des fotografierten Werks durchsetzen, schreiben

Ob Wikimedia wirklich mit einem anderen Urteil gerechnet hat, weiß ich natürlich nicht. Der legitime Wunsch nach Teilhabe und freiem digitalen Zugang zu gemeinfreien Kunstwerken, gerade wenn Museen öffentlich durch Steuermittel gefördert werden wie auch das rem, steht der tradierten Rechtsprechung und damit der aktuellen Gesetzeslage entgegen. Das ist schade und sollte laut und öffentlich beklagt werden. Mit dem Urteil schafft es das Urheberrecht mit seiner Unzeitgemäßheit immerhin in die breiten Medien. Ob es nutzen wird? Wie stark die Content-Lobby noch immer ist, davon kann Julia Reda auf EU-Ebene sicherlich ganze Choräle singen.

Allgemeinwohl vs. Individualinteresse?

Hätte Wikimedia also stärker die Politik adressieren sollen als Gerichte bemühen? Sie hat bestimmt beides getan, aber auch in der Politik ist diese Thema höchst widersprüchlich besetzt. Während die ehemalig Bundesforschungsministerin Johanna Wanka eine Open Access-Strategie startete unter dem Motto: „Freier Zugang zu Wissen ist ein Sprungbrett für die gesellschaftliche Entwicklung„, förderte ihre Kollegin Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Ausbau der Bilddatenbank der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur zentralen nationalen Vermarktungsplattform mit 460.000 Euro. Geht’s noch? Die Content-Lobby anichambriert bis heute erfolgreich.

Wie reparaturbedürftig das Urheberrecht insgesamt ist, zeigt der Umgang einiger Urheberrechtserben bekannter Künstler. Ein schönes Beispiel ist Oskar Schlemmer.

Oskar Schlemmer, Tänzerin (Die Geste), 1922 - 1923, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München, CC BY-SA 4.0

Oskar Schlemmer, Tänzerin (Die Geste), 1922 – 1923, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München, CC BY-SA 4.0

Über Jahrzehnte konnte über den bekannten Bauhauskünstler nur eingeschränkt wissenschaftlich gearbeitet werden. Es gab keine Retrospektiven. Mit Urheberrechtsklagen entzogen die Erben das Werk Schlemmers jahrelang einer breiten Öffentlichkeit. Das ist nicht im Sinne des Künstlers und auch nicht im Sinne einer demokratischen Kultur.

Freier Zugang zu freiem Wissen – darüber haben

Prof. Dr. Alfried Wieczorek, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Musseen

Prof. Dr. Hubertus Kohle, Ludwig-Maximilians-Universität München

Tim Moritz Hector, Vorsitzender des Präsidiums von Wikimedia Deutschland

Dr. Helge David, Initiator und Gründer von Openmuseum.de

hier schon intensiv gestritten 😉

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